Genre: Americana

Rhiannon Giddens aus North Carolina ist eine MacArthur-Stipendiatin und zeigte schon auf ihren vorhergehenden Alben, dass sie mit leidenschaftlichem Engagement, musikalischer Anmut und inhaltlichem Ernst gleichermaßen Wege zur Erforschung der Vergangenheit und ihrer eigenen Gefühle gefunden hat. Sie erzählt Geschichten und wählt die Instrumente dazu sorgfältig aus. Ihre Alben mit dem italienischen Komponisten Francesco Turrisi – einer von vielen langjährigen Mitarbeitern, die zusammen mit Dirk Powell, Jason Syphe und Niwel Tsumbu auch an „You‘re the One“ gearbeitet haben – zeigten ganz besonders ihre Fähigkeit, altbekannten Klassikern durch aufschlussreiche Interpretationen von Songs wie „Amazing Grace“ und „Wayfaring Stranger“ verblüffende neue erzählerische Sichtweisen zu verleihen. „You’re the One“ allerdings besteht gänzlich aus Eigenkompositionen, und Giddens schafft es, ihre analytische „Draufsicht“ auf Fremdkompositionen in ihren eigenen Songs umzusetzen. Gleich zu Beginn verabschiedet sich Rhiannon Giddens von allem und allen, die ihrem Glück nicht dienlich sind – eine innere Reinigung. In dem im R&B-Stil gehaltenen „Too Little, Too Late, Too Bad“ schwört sie einem Liebhaber ab, der ihre Zuneigung für selbstverständlich gehalten hatte. Dieser und der zweite Track, das titelgebende „You‘re the One“, das von der Liebe zu ihren Kindern inspiriert ist, bieten eine Art doppelte Einführung in einige der emotionalen Triebfedern dieses Albums: die Abkehr von denjenigen, deren Energie für Giddens nicht mehr positiv ist, und der Blick in die Zukunft aus der Gegenwart heraus. Höhepunkt: Das wütende „Another Wasted Life“ (über den jahrelang ohne Verfahren eingesperrten Kalief Browder) mit seinem Bond-Song-Piano. Ein intensiver, emotionaler, musikalisch herausragender Trip.

Fazit