Kategorie: Lautsprecher Stereo

Einzeltest: Audes M5


Die Herausforderer

Lautsprecher Stereo Audes M5 im Test, Bild 1
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Es ist manchmal gar nicht so leicht innerhalb relativ kurzer Zeit gleich zweimal über Produkte derselben Firma zu schreiben. Bei Audes ist es mir eine Freude, denn die Audes M5 Lautsprecher machen mindestens so viel Laune wie die kleineren M2 und beide sind eine ernsthafte Ansage an die Konkurrenz.

Geschichte


Estland ist das nördlichste Land des Baltikums, seine Fläche ist zum großen Teil von Wäldern bedeckt. Seit 1991 ist man von Russland unabhängig, seit 2004 Mitglied der EU und der NATO. Estland hat nur etwa 1.3 Millionen Einwohner, ein Viertel davon sind nach wie vor Russen. Das Land ist technologisch sehr fortschrittlich orientiert, so gibt es zum Beispiel seit 2000 ein gesetzlich verankertes Recht der Bürger auf das Internet. Die Holz-, Papier- und Möbelindustrie macht ein Viertel der Industrieproduktion aus. Kein Wunder also dass der Lautsprecherbau eine ebenso lange Tradition hat wie die Entwicklung von Elektronik.

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Die Esten haben dafür eine hervorragende Infrastruktur, die auch andere Firmen nutzen. Audes ist da keine Ausnahme mit ihrer OEM-Fertigung für viele namhafte Firmen, die natürlich nicht genannt werden möchten.  

Profil


Die Wurzeln von Audes reichen zurück bis ins Jahr 1935. Man baute unter dem Namen „Raadio-Elektrotehnika Tehas/RET“ Spulen oder Transformatoren auch für militärische Zwecke. In den 50er Jahren kamen dann Röhrenradios hinzu, zehn Jahre später die damals modernen Kompaktanlagen mit zugekauften Lautsprechern. Im Zuge einer interessanterweise vom finnischen Nachbarn und Lautsprecher- Hersteller Genelec geförderten Modernisierung verlegte man Mitte der 80er das Werk von der Hauptstadt Tallinn in das kleine Ortchen Jöhvi. Audes-Gründer Igor Tjurin hat es in der Folge geschafft, den ehemaligen russischen Staatsbetrieb in ein florierendes Privatunternehmen umzuwandeln, das er ab 1992 „Audes“ nannte, eine Mischung aus Audio und Estonia (Estland). Schon ein Jahr später begannen Entwicklung und Produktion von ersten Treibern und Lautsprechern, dazu Transformatoren und Röhrenelektronik. Aleksei Tjurin, einer von Igors Söhnen, ist in die Entwicklung der Lautsprecher eingebunden. Ich habe ihn gefragt, wie es um das etwas unübersichtliche Audes-Lautsprecherprogramm steht. Er meinte, die Firma laufe so gut, dass sie die Anfragen kaum bewältigen können. Deshalb sei die Straffung ihres Lautsprecherportfolios ein wenig ins Stocken geraten, laufe aber im Hintergrund weiter.  

Die neue M-Serie


Die M-Serie läutet eine neue Ära von Audes-Lautsprechern ein. Der M5 wurde direkt nach dem M2 entwickelt, über den sie eine ausführliche Geschichte im Lautsprecherjahrbuch 2024 lesen können. Der M2 diente dabei gewissermaßen als „Proof of Concept“, bei dem die Esten das Gehäusematerial, die aus mehreren Einzelteilen bestehende Gehäusekonstruktion, die Lösung für die Bassreflexöffnung und die Komponenten getestet haben.  

Das Gehäuse


Fünf Jahre lang hat Audes mit der Produktfamilie der Solid Surface Werkstoffe experimentiert, um heraus zu finden, ob sich das für den Gehäusebau eignet. Solid Surface ist ein Materialmix aus natürlichen Mineralien, Pigmenten und Harzen der gerne im Sanitärbereich verwendet wird. Es lässt sich sehr gut (warm)verformen, Beschädigungen kann man mit einer unsichtbaren Schweißtechnik perfekt reparieren und so fugenlose Designs realisieren.

Lautsprecher Stereo Audes M5 im Test, Bild 5
Das seitliche Profil der M5 ist schon außergewöhnlich. Es stammt aus der Feder eines Industriedesigners
Es hat eine hohe Dichte, ist hart und belastbar und darüber hinaus auch flexibel und dauerhaft. Die Audes-Ingenieure haben mit der Formgebung unter Wärmeeinfluss gespielt, die Ergebnisse dann furniert, sie mit CNC-Maschinen geschnitten, sie gefärbt und lackiert, bis sie sicher waren, dass sie Solid Surface gebrauchen können. Die Außenwände des M5 sind daraus gefertigt, seine Innenkonstruktion besteht wie der integrierte Standfuß aus MDF. Der Sockel und die Anschlussplatte wiederum sind aus Solid Surface. So ließ sich ein Constrained Layer Design (CLD) realisieren, das Audes´ Wünschen nach Resonanzfreiheit entspricht. Das Gehäuse mag von außen betrachtet einfach aussehen, sein Innenaufbau ist jedoch komplex: Hoch- und Mitteltöner befinden sich in einer Kammer, die im Grunde ein verformtes, fünfeckiges Prisma ist. Die Streben, die diese Kammer bilden, lösen gleichzeitig drei Probleme: sie bilden die separate Kammer für die Mitteltöner, führen schräge Flächen im Inneren des Gehäuses ein, um stehende Wellen zu bekämpfen und verstärken die Außenwände, um Schwingungen zu reduzieren. Die Herausforderung bestand darin, diese Struktur so zu gestalten, dass sie effizient hergestellt werden konnte. Alle Teile werden ohne mechanische Verbindungselemente miteinander verklebt, das Material erfordert aber einen speziellen Klebstoff, der sehr schnell aushärtet. Das wiederum bedeutet, dass alles schnell zusammengebaut werden muss.  

Die Treiber


Audes fertigt unterschiedliche Treiber selbst, eine Tugend die sich die Firma in Zeiten russischer Besatzung angeeignet hat. Ressourcen waren knapp, also hat man selbst Hand angelegt. Heute werden zwar gewisse Arbeitsschritte nach außen vergeben, aber das Wissen darüber ist in der Firma erhalten geblieben. Für diesen Dreiwege- Vollbereichslautsprecher verwenden sie den gleichen Hochtöner wie in M2, die Mitteltöner stammen aus derselben SEAS-Treiberfamilie. Offensichtlich sind sie der Meinung, die selbst nicht besser machen zu können. Der Tieftöner wird von Audes gebaut, es ist die größere Version des Woofers aus der M2. Er ist im Audes-Katalog als 75W104-4 erhältlich und wurde für die M5 nur leicht angepasst und ist ein schnörkelloser Treiber mit Papiermembran, Ferritmagnet und Kupferschwingspule.  

Technisches Design und Weiche


Das klassische D‘Appolito-Design für den Mittelhochtonbereich wurde gewählt, um die Empfindlichkeit zu erhöhen. Ganz unklassisch hingegen ist die Bassreflexabstimmung. Sie ist nach vorne und nach unten in Richtung des Fußes orientiert, was die Positionierung der Lautsprecher erleichtert.

Lautsprecher Stereo Audes M5 im Test, Bild 4
Was ist denn das kann man sich fragen? Nun, das sind die Öffnungen der sehr speziellen Bassreflexlösung á la Audes
Die Austrittsöffnung ist nicht gerade und es werden sieben kleine, rechteckige Ports eingesetzt. Laut Aleksei Tjurin hat die Entwicklung der Frequenzweiche für die M5 sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Im Prinzip wussten sie, wie sich der Lautsprecher messen und auch wie er klingen sollte. Dazu Tjurin:“Aber ähnliche Messergebnisse können mit verschiedenen Frequenzweichen erzielt werden, die wiederum unterschiedlich klingen. Wir haben viele Iterationen durchlaufen und verschiedene Anordnungen, Dämpfungsfaktoren, Gesamttopologien und Hörsitzungen ausprobiert, bevor wir uns auf das endgültige Design der Frequenzweiche geeinigt haben.“ Zwischen Hoch- und Mitteltöner setzen sie ein Filter 3. Ordnung ein, zwischen Tief- und Mitteltöner eins 2. Ordnung, die Übergänge liegen bei 1800Hz und 300Hz. Die Kondensatoren sind ordentliche Folien aus europäischer Fertigung, dazu kommen Drahtwiderstände. Die Luftkernspulen wickeln sie aus hochwertigem Kupferlackdraht selbst. Dazu noch einmal Aleksei Tjurin:“Ich denke, hier gilt die Devise, dass hochwertige Komponenten den Klang eher verfeinern als ihn zu definieren. Eine gut konzipierte Frequenzweiche mit schlechteren Komponenten wird am Ende des Tages besser abschneiden als eine schlecht konzipierte Frequenzweiche mit hochwertigen Komponenten.“ Stimmt.  

Klangmonster


Ich höre Ani di Franco und bin völlig baff: spielt die in diesen Lautsprechern oder besser anstatt der Lautsprecher? Vielleicht bin ich auch unsichtbarer Mithörer in der Aufnahmekabine – gespenstisch ist das. Auf „Studying Stones“ kommt sie nach vorne ans Mikro und das habe ich ernsthaft noch nie gehört und ich kenne die Aufnahme wirklich gut, zumindest dachte ich das. „Manhole“ beginnt mit einem ihrer unvergleichlichen krachenden Akkorde und dann singt sie mich mit einer Intensität an, die mir echt den Vogel raushaut. Wie unfassbar spritzig und lecker knallen denn diese Gitarrenakkorde in den Raum? Sogar das Zerren, wenn sie die Basssaiten anschlägt und das Röhrenmikro übersteuert erlebe ich wie Live. Apropos Live. Miles Davis´ spätes Livedokument „Live Around The World“ strotzt nur so vor Spielfreude. Wie gut die Bassabstimmung funktioniert kann man perfekt bei „Human Nature“ oder „Tutu“ hören. Hier spielen sogar zwei Bassisten und wie satt, fluffig und knackig die ihre Instrumente bedienen kann man mit der M5 zu 100 Prozent nachvollziehen. Ich habe Miles zu dieser Zeit live erlebt und erlebe ihn jetzt wieder. Mit „Time After Time“ beschließe ich meine Hörsession und genieße seinen unnachahmlichen Trompentenklang, die so atmosphärischen Keyboardflächen und die geschmeidige Integration aller Frequenzbereiche zu einem akustischen Gesamtkunstwerk. 

Fazit

Nach Jahrzehnten des Hörens auch von teuren Lautsprechern kann ich mich aus dem Fenster lehnen und sagen: die Audes M5 sind derart gut, dass ihr Preis fast schon günstig ist, ihre Klasse aber den Platzhirschen Angst machen dürfte.

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Kategorie: Lautsprecher Stereo

Produkt: Audes M5

Preis: um 19000 Euro

4/2024

die Audes M5 sind derart gut, dass ihr Preis fast schon günstig ist, ihre Klasse aber den Platzhirschen Angst machen dürfte.

Audes M5

Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb TCG / Nordhorn 
Telefon k.A 
Internet www.tcg-gmbh.de 
Garantie 5 Jahre 
H x B x T 1295 x 345 x 383 mm 
Gewicht: etwa 46 kg 
Unterm Strich... Nach Jahrzehnten des Hörens auch von teuren Lautsprechern kann ich mich aus dem Fenster lehnen und sagen: die Audes M5 sind derart gut, dass ihr Preis fast schon günstig ist, ihre Klasse aber den Platzhirschen Angst machen dürfte. 
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Autor Christian Bayer
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