Kategorie: Plattenspieler

Einzeltest: AMG Viella Forte / 12J Turbo


Der ganz große AMG

Plattenspieler AMG Viella Forte / 12J Turbo im Test, Bild 1
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Möglicherweise haben Sie als automobil orientierter Mensch bei der Überschrift ganz kurz gezuckt. Als dem Plattenspielerthema verbundener Zeitgenosse jedoch wussten Sie natürlich sofort, was jetzt kommt: eine Auseinandersetzung mit dem Topmodell der Analog Manufaktur Germany

Tatsächlich ist es eine Weile her, dass wir einen echten AMG bei uns auf dem Parkplatz – Verzeihung, im Hörraum – stehen hatten. Genauer gesagt war’s 2018, als wir uns zum bislang einzigen Mal mit einem Gerät des nördlich von München ansässigen Herstellers auseinandersetzten, dessen Anspruch an sein Tun mindestens genau so hoch ist wie der des Automobilherstellers mit den gleichen Initialen.

AMG startete ursprünglich unter dem Namen Röschlau & Lorenzi, das war im Jahre 2009. 2011 hatte ich das Vergnügen, Werner Röschlau kennenzulernen, der das Unternehmen mit seinem Sohn Julian Lorenzi zusammen betrieb.

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Der Papa hatte eine erfolgreiche Karriere in der Avionik hinter sich und wollte das ein Leben lang erworbene Wissen in Form eines kleinen, aber feinen Familienunternehmens sinnvoll einsetzen. Was hervorragend funktionierte, wie wir dem Modell „Viella“ vor über zehn Jahren attestieren durften. Werner Röschlau habe ich als einen Präzisionsfanatiker allererster Güte kennengelernt, der über ein profundes Wissen in vielen Bereichen des Maschinenbaus verfügte. Zweifellos ist der Apfel nicht weit vom Stamm gefallen, denn Julian Lorenzi führt das Unternehmen seit dem Ableben seines Vaters in Eigenregie weiter. Dabei hat er sich kompetente Hilfe ins Boot geholt, so ist das nunmehr als Analog Manufaktur Germany auftretende Unternehmen eng mit dem Augsburger High Fidelity Studio verbunden, das den Vertrieb der Geräte für Deutschland und Österreich erledigt.

Heute sehen wir uns das obere Ende der aus drei Laufwerken und drei Tonarmen bestehenden Produktpalette an. Die zusammen ab 23.000 Euro teure Kombi markiert damit die obere Grenze des Testfeldes im diesjährigen Plattenspielerspezial, ist aber preislich immer noch erfreulich weit unterhalb der echten „Dickschiffe“ am Markt angesiedelt. Die Ansprüche an die Qualitäten des Gerät sind nichtdestoweniger absolut und in Anbetracht des Gebotenen sollten Viella Forte und Tonarm12J Turbo auch höchste Ansprüche befriedigen können.

Der Viella Forte basiert auf dem klassischen Modell Viella, stellt aber ein an zahlreichen Stellen aufgewertete Version des Ur-AMG-Plattenspielers dar. Geblieben ist die charakteristische ovale Form des Gerätes, wie sie schlichter kaum sein könnte. Auf der linken Seite bildet die Zarge die exakte Verlängerung der Tellerkontur, organischer kann man das kaum realisieren. Rechts wird die Armbasis auf einem etwas kleineren Zylinder montiert, es passen Tonarme von neun bis (mindestens) zwölf Zoll Länge. In der Breite ist der Viella Forte mit 52 Zentimetern ein recht ausladendes Gerät, in der Tiefe begnügt er sich mit 316 Millimetern. Bedenken Sie aber bei der Planung Ihres Standplatzes, dass der im Set erhältliche Zwölf-Zoll-Arm vorne noch ein ganzes Stück über die Laufwerksbasis hinausragt.

Der Viella Forte ist, wie der Ur-Viella und seine aktuelle Inkarnation namens „ViellaV12“ auch, ein richtiges Masselaufwerk. Noch nicht einmal die drei fein höhenverstellbaren Füße bieten irgendeine Form der Entkopplung, hier dominiert die reine Lehre in Form von Resonanzdämpfung durch Masse. In dieser Hinsicht hat der Forte gegenüber den anderen Viella-Modellen deutlich zugelegt, die Zarge ist nunmehr ein satte 28 Kilogramm schweres Ergebnis diverser CNC-Maschinenstunden, herausgearbeitet aus einem Block einer hochwertigen Aluminiumlegierung. Mit gut acht Zentimetern ist die Zarge damit fast exakt so dick wie der Plattenteller.

Der Viella Forte ist ein per Riemen angetriebener Plattenspieler. Davon sieht man von außen nichts, weil der Motor unterhalb des Tellers angeordnet ist und ihn über einen ausgedrehten Innenradius antreibt. Die Montage von Plattenteller und Antriebsriemen ist eine nicht ganz triviale Angelegenheit, gelingt mit den beiliegenden Montagehilfen letztlich aber problemlos. Der Antriebsmotor ist ein langsam laufender drehmomentstarker bürstenloser Gleichstrommotor, den Julian Lorenzi höchst selbst baut. Die Steuerung des Aggregates erfuhr fürs Spitzenmodell ein Upgrade, woran der wuchtige Teller nicht ganz unschuldig sein dürfte. Der Antrieb bringt die aus Kunststoff- und Aluminiumanteilen kombinierte Scheibe mit der nötigen Sanftmut auf Nenndrehzahl, alles andere würde nur zum Durchrutschen des roten (vermutlich Polyurethan-) Riemens führen und seine Lebensdauer reduzieren. Ihren Strom bezieht die Steuerung aus einem ausgelagerten Netzteil, das ebenfalls in einem ovalen Gehäuse aus massivem Aluminium residiert. Durch einen Schlitz an der Front signalisiert ein Streifen roten LED-Geleuchts Betriebsbereitschaft, was ein bisschen an böse Roboter aus diversen Science-Fiction Filmklassikern erinnert. Das Lager für den üppigen Teller ist selbstverständlich wieder etwas, das AMG komplett im Hause selbst fertigt. Es ist aus guten Grund weitgehend geschlossen, alles andere würde zum Freisetzen einer erklecklichen Menge Öls führen. Unten an der Top-Platte des Lagers ist die 16 Millimeter durchmessende gehärtete Stahlachse befestigt, in der Horizontalen von zwei hydrodynamischen Lagern geführt wird. Das sind unter Öl laufende Gleitlager mit einer ganz speziellen Formgebung, die für ständige Ölförderung durch die Lager sorgt. Tatsächlich besteht dabei kein direkter Kontakt zwischen Achse und Lagerwand, die Verbindung besorgt ausschließlich das komprimierte Öl. Die vertikalen Kräfte nimmt ein Teflonspiegel auf, auf dem die ganz leicht ballig geschliffene Achse dreht. Das ist ein extrem laufruhiges Lager, weil hier richtigerweise das Hauptaugenmerk auf die horizontale Lagerung gelegt wurde, die bei Plattenspielern praktisch immer Hauptverursacher etwaiger Geräusche ist. Das Lager ist mit viel Öl befüllt und komplett wartungsfrei – sehr angenehm. Von außen manifestiert es sich als oben aus der Zarge herausstehender Zylinder, über den der Plattenteller gestülpt wird – in diesem Zusammenhang gilt es auch den Riemen zu montieren, wie oben beschrieben.

Eine Besonderheit bei unserem Testgerät ist die mit einer dezenten Dreieckstextur gravierte Oberfläche der Zarge. Ich wage zu bezweifeln, dass sie einen signifikanten Einfluss auf das klangliche Ergebnis hat, sie ist aber definitiv hübscher als eine schnöde glatte Fläche und kostet 1500 Euro Aufpreis.

Der Tonarm des Top-AMG-Drehers ist ebenfalls keine gänzliche Neukonstruktion, sondern eine aus dem „normalen“ 12J2 weiterentwickelte Variante. Auch hier steckt die Besonderheit in der Lagerkonstruktion. Für die Lagerung des Armrohres in der Vertikalen sind hier nämlich zwei dünne Federstahlstäbe zuständig, die gezielt verbogen werden. Bei einer Stärke von nur einem halben Millimeter braucht man sich keine Sorgen zu machen, dass die Konstruktion der Bewegung des Armes in dieser Richtung nennenswerten Widerstand entgegensetzt. Sehr angenehm daran ist das Fehlen jeglichen Losbrechmomentes und perfekte Verschleißfreiheit. Außerdem erlaubt die Anordnung eine angenehm einfache Azimutverstellung – dafür gibt’s nämlich eine kleine Rändelschraube oben auf dem Lagergehäuse, mit der man die Höhe des über einem der „Biegestäbe“ justieren kann – sehr clever.

Für die Drehung des Arms ist eine etwas konventionellere Anordnung aus zwei Präzisionskugellagern zuständig, um die der Armschaft rotiert. Die Antiskating- Vorrichtung des 12JT ist von der magnetischen Sorte und ebenfalls im Lagergehäuse untergebracht. Es gibt eine feinfühlige VTA-Verstellung und eine wohlüberlegte Gegengewichtskonstruktion. Jene besteht aus einem „Grundgewicht“ und zwei bei Bedarf zu ergänzenden Zusatzgewichten. Die Konstruktion baut auch mit drei montierten Gewichten sehr kurz, wodurch eine Position nahe am Drehpunkt erreicht werden kann, was Hantelkräfte verringern hilft.

Das Tonarmrohr besteht aus Aluminium, in der Headshell-Konstruktion stecken ein paar richtig gute Ideen. So gibt es eine sehr schöne Tonabnehmer-Einbauschablone, mit der sich sowohl Überhang als auch Kröpfung perfekt justieren lassen. Das niedliche kleine Teil wird mittels einer „Durchsteckachse“ am Headshell in die korrekte Position gezwungen, woraufhin man den Abtaster genau so verschieben und verdrehen kann, dass er an der exakt richtigen Stelle sitzt. Voraussetzung dafür ist natürlich die Montage des Tonarms im perfekt richtigen Abstand zur Tellerachse, was beim Testgerät bestens justiert war.

In Sachen Handling und Tonabnehmereinbau sind sowohl das Laufwerk wie auch der Tonarm eine echte Freude, schon die Vorbereitung zum Musikhören macht mit derart durchdachten Komponenten richtig Spaß. Und deshalb konnte ich mich auch dazu durchringen, das unglaubliche DS Audio Grand Master aus dem Reed 3P und in den 12JT zu schrauben. Mit ziemlich genau den gleichen spektakulären Ergebnissen, wie ich sie von dem Über- Abtaster schon kenne. Überschäumende Lebendigkeit, beispiellose Präzision und Geschmeidigkeit. Ich habe den Verdacht, dass ich Anouar Brahems Saitenanrisse in diesem Umfeld mindestens ebenso überzeugend um die Ohren gehauen bekomme wie über den Reed auf dem Air Force, aber die Unterschiede sind gering. Möglicheweise klingt die japanisch-litauische Kombi mit DS Audio eine Spur farbiger, mit dem AMG-Outfit minimal genauer, aber auch ein Spur nüchterner. Fest steht jedenfalls, dass der Irrsinns-Tonabnehmer auch via AMG zu großer Form aufläuft. Da soll noch in irgendeiner Form mehr gehen? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Schweren Herzens baue ich auf einen etwas diesseitigeren Abtaster in Gestalt des Benz LP um, was ja nun wahrlich kein kleines Kaliber ist. Auch hier brilliert die AMG-Kombi mit Stabilität und Präzision, ich folge fasziniert den minimalen Positionswechseln der Violine auf besagtem 1991er Anouar Brahem-Album „Barzakh“. Sicherlich weniger spektakulär als mit dem großen DS Audio, aber immer noch eine Show.

Als ungedämpftes Masselaufwerk reagiert der AMG übrigens recht deutlich auf seinen Unterbau. Mein massiver Birkentisch erwies sich als klanglich ausgezeichnet, im Handling auf meinem Dielenboden aber als problematisch – Trittschall ist hier ein echtes Thema. Versuche mit stahlkugefüllten Unterstellbasen führten kaum zu Verbesserungen. Eine dicke Filzlage unter einer Platte aus Buchenmultiplex funktioniert, nahm der Wiedergabe aber merklich Drive. Mit einer dünnen Styropor-Platte als Zwischenlage befand ich mich auf dem richtigen Weg. Ich empfehle dringend an dieser Stelle zu experimentieren, bei passenden Voraussetzungen sind Viella Forte und 12JT definitiv absolute Traumkomponenten.

Fazit

 Das große AMG-Set kann alles: große Räume fein differenziert zeichnen, Klangfarben hochpräzise darstellen oder ganz einfach mitreißend Musik machen. Nicht zu vergessen: Die Freude, die der Umgang mit der außergewöhnlichen Präzisionsmechanik macht

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Kategorie: Plattenspieler

Produkt: AMG Viella Forte / 12J Turbo

Preis: um 23000 Euro

8/2021
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Ausstattung & technische Daten 
Vertrieb Analog Manufaktur Germany 
Internet analog-manufaktur-germany.de 
E-Mail: service@analog-manufaktur-germany.de 
Garantie (in Jahre) 2 Jahre 
B x H x T (in mm) 520/180/316 
Gewicht (in Kg) ca. 48 kg 
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Datum 17.08.2021, 09:56 Uhr
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Mit diesen Chassis wollte ich schon immer mal etwas bauen. Dass ich sie allerdings jemals zusammen in einer Box haben würde, hätte ich dann doch wieder nicht erwartet – dass das Ganze so gut werden würde, dann schon eher.

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